Können Filme eine Brücke zwischen der ukrainischen und schweizerischen Kultur herstellen? 

Freies Gymnasium Zürich / Februar 2023


Filme haben uns in den letzten 100 Jahren hauptsächlich als Unterhaltung gedient, sie brachten uns zum Lachen in Zeiten der Einsamkeit, sorgten für Ablenkung und boten Trost, wenn wir ihn brauchten. Jetzt haben sie jedoch eine weitere Rolle erhalten: Nachdem Russland im Frühjahr 2022 die Ukraine angegriffen hatte, wurde ein Forum in Zürich gegründet mit der Idee, Schweizerinnen und Schweizern ukrainische Filme zu zeigen und ihnen damit diese Kultur näherzubringen. Das Forum dient somit als Brücke zwischen den Kulturen und soll gleichzeitig den menschlichen und kulturellen Schaden des Krieges vor Augen führen. Die Filme dienen daher auch der Kommunikation. 

Eine Diskussionsrunde nach einem Screening. 

Viele Menschen gehen davon aus, dass die Ukraine nur von Konflikten und Krieg dominiert wird, und haben somit ein unvollständiges Bild. Dies liegt wahrscheinlich stark an den Medien und deren Informationsvermittlung: Im Verlauf der letzten Monate wurde über dieses Land nur im Zusammenhang mit Krieg berichtet. 

Das Forum, das von Lilit Hakopyan gegründet und dann von Anna Bertram, Oleksandra Lebid und Hella Wiedmer-Newman weitergeführt wurde, will dem entgegenwirken. „Begegnungen zu schaffen zwischen Menschen und Kulturkunst“ - so umschreibt Anna Bertram das Ziel. Dies probieren die vier Frauen mit viel Leidenschaft umzusetzen. 

Die Filme zeigen das Leben in der Ukraine und symbolisieren den Widerstand gegen die Mythen, dass die ukrainische und die russische Kultur keine Unterschiede hätten. Sie inspirieren das Publikum, sich mit der Kultur auseinanderzusetzen und diese zu diskutieren. Gezeigt werden dabei Werke aus allen Genres: Dokumentar-, Kriegs-, Animations- und Kunstfilme sowie auch meditative Ansätze. 

Eine der Zuschauerinnen, Hella Wiedmer-Newman, ist in einer Vorführung zum Mithelfen motiviert worden. Sie wollte den Verein professioneller gestalten und kritische Einleitungen und Meinungen von Akademikerinnen einbeziehen. Durch die Integration kritischer Perspektiven kann das Publikum ein umfassenderes Verständnis der Kultur erlangen und lernen, unterschiedliche Meinungen zu 

respektieren. Jede Woche wird vor und nach dem Film über Aspekte diskutiert und das Verständnis der Zuschauer für die Kultur wird erweitert: „Andere Seiten, die nicht von den Medien erwähnt werden“, sagt Hella. 

Genaueres zu den Filmen: 

Das ukrainische Filmschaffen spiegelt eine Vielzahl von Themen, die die ukrainische Gesellschaft, Kultur und Geschichte prägen. Einige Filme konzentrieren sich auf politische und gesellschaftliche Probleme, während andere sich auf die Geschichte und Folklore des Landes konzentrieren. Es gibt auch viele Drama- und Komödienfilme, die das tägliche Leben und die Beziehungen zwischen Menschen zeigen. Es ist wichtig für die Gemeinschaft im Forum, durch Filme zu lernen und die Geschichte der Ukraine mitzuerleben, um dann gemeinsam über die Filmszenen zu diskutieren. So entsteht ein Gefühl von Familienverbundenheit, womit auch aussenstehenden Menschen ein Teil dieser Kultur mitgegeben wird. Wir haben die Organisatorinnen auch gefragt welches ihr Lieblingsfilm aus dem bisherigen Programm ist. Diese fassen wir hier zusammen: 

 

Zug Kyiv – Krieg 

Hella Wiedmer-Newmans Lieblingsfilm ist "Zug Kyiv-Krieg". Es ist ein "Roadmovie". Der Regisseur Corniy Hrytsyuk filmte Geschichten von Menschen aus dem Nachtzug №126, der Kyiv und eine Stadt im Osten, Konstantynivka, miteinander verbindet. 

Der Film wurde in 30 Nachtfahrten zwischen den Städten von August bis Dezember 2019 gedreht. Corniy stammt selbst aus dem Donbass und ist mit seiner Familie oft mit dem Zug gefahren, dabei kam ihm die Idee für seinen Film. In einem Interview für The Village UA sagte er: "Für mich ist dieser Zug eine Metapher für den Krieg. Alle Menschen hier gehen auf eine Seite (gemeint ist der Krieg) und können nicht davor weglaufen. Und darüber musste ich einen Film machen. Ich musste die Atmosphäre, ihre Gedanken und ihre Geschichten zeigen. Denn die meisten dieser Passagiere haben außergewöhnliche Dinge erlebt." 

Hrytsyuk sagte auch, er habe beschlossen, diese Menschen, die zwischen zwei Welten leben, sprechen zu lassen und ihnen Gehör zu verschaffen. Im gleichen Interview erklärte Corniy: "Der schwierigste Teil für mich war das Schneiden. Wenn man sich all diese Geschichten aufmerksam anhört, versteht man, wie viele Menschen in unserem Land durch diesen Krieg traumatisiert sind". 

 

Die Erde ist blau wie eine Orange

Anna Bertram und Oleksandra Lebid haben beide “Die Erde ist blau wie eine Orange” als ihren Lieblingsfilm gewählt.

Der Film handelt von einer Familie, die in der "roten Zone" des Donbass lebt, wo der Krieg bereits seit 6 Jahren andauert. Das Leben der meisten Menschen hat sich grundlegend verändert. Im Mittelpunkt des Films steht die Familie von Hanna und ihren vier Kindern in der Region Krasnohiriwka, wo der Beschuss nicht aufhört. Trotz dieser veränderten Lebensumstände spielt die Familie weiterhin Musikinstrumente, nimmt am Film teil und wächst zusammen. 

Die Regisseurin Iryna Tsilyk wollte zunächst einen Dokumentarfilm über Teenager drehen. Auf der Suche nach den Hauptdarstellern traf sie einmal zwei Mädchen, die sie nach Krasnohiriwka einluden. "Plötzlich war klar, dass dies der Ort ist, an dem unser Film gedreht werden soll", verrät Iryna in ihrem Interview. 

Der Titel "Die Erde ist blau wie eine Orange" scheint auf den ersten Blick seltsam. Um ihn zu verstehen, muss man wissen, dass es sich um eine Zeile von Paul Éluard handelt. Er zeigt, wie surrealistisch die Welt sein kann. Das ist ein guter Weg, um die Veränderungen im Leben der Menschen zu beschreiben, die den Krieg erleben. Für viele haben die Dinge, an die sie geglaubt haben, aufgehört sinnvoll zu sein. Während sie in ständiger Angst leben, müssen die Menschen neue Wege finden, um zu überleben und oft einfach dem Stress zu entfliehen. 

 
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