«Ich wollte niemanden töten»

Von Zaina Moghul & Amane Weyland / Klasse 5b, Gymnasium Freudenberg / November 2024

Das Liban Imbiss, ein Restaurant im Seehallengebäude beim Bahnhof Horgen, gibt es seit 1 ½ Jahren und zieht viele Kundinnen und Kunden an. Auch wir essen gerne dort. Wir haben uns gefragt, wie das Restaurant überhaupt zustande gekommen ist. Um die Geschichte der Besitzer zu erfahren, haben wir mit einem von ihnen ein Interview geführt. Roman, ein Flüchtling aus dem Irak, kam 1998 mit 22 Jahren in die Schweiz.

Das Liban Imbiss beim Bahnhof Horgen.

Wegen starken internen Konflikten und Kriegen müssen seit den 70er Jahren immer mehr Leute aus dem Irak fliehen. Auch in der Schweiz finden sie eine oft vorläufige Bleibe: Insgesamt leben über 6’000 Irakerinnen und Iraker in der Schweiz. 2’500 von ihnen haben den Flüchtlingsstatus erhalten, 2’690 ein vorläufiges Bleibereicht. Die Übrigen sind immer noch im Asylprozess.

Der Erste Irakkrieg dauerte von 1990 bis 1991. Es war ein Krieg zwischen Irak und Kuwait, in der auch die UN involviert war.

Weshalb hast du den Irak verlassen?

Ich habe einen älteren Bruder, der zum Militär musste. Er hat Wegen starken internen Konflikten und den Ersten Irakkrieg hautnah miterlebt. Durch ihn habe ich gesehen, was der Krieg mit einem macht und wie schwer es ist. Als es für mich Zeit wurde, ins Militär zu gehen, habe ich mich entschieden, den Irak zu verlassen und in einem Land zu leben, wo es keinen Krieg gibt.

Wie bist du in die Schweiz gekommen?

Ich bin von Irak nach Jordanien geflohen und habe dann 4 ½ Jahre in Istanbul verbracht. Ausserdem habe ich 7 Monate in Athen gelebt. In Albanien war ich circa fünf Tage lang, in Italien auch nur vier Tage, dann kam ich in die Schweiz. Durch meine Reise habe ich Türkisch und Griechisch gelernt. Dazu kann ich auch Arabisch, Aramäisch, Deutsch und ein bisschen Englisch.

Wie hat sich dein Leben in den anderen Ländern von der Schweiz unterschieden?

In der Türkei war es nicht sehr einfach. Ich bin mit dem Flugzeug von Jordanien dorthin gereist, mit einem Visum, das für 15 Tage gültig war. Nach den 15 Tagen habe ich ohne Papiere dort weitergelebt. Ich wurde mehrere Male kontrolliert und war auch in vielen Gefängnissen, in denen wir oft Gewalt ausgesetzt waren. Mit Geld konnte ich mich aber immer wieder rauskaufen.

Von der Türkei aus habe ich vier Mal versucht, durch Griechenland in die EU zu fliehen. Wir sind jeweils mehrere Tage lang durch Berge und Wälder gelaufen, allerdings nur während der Nacht. Das griechische Militär hat uns aber immer wieder gefunden und uns mit dem Auto innerhalb von einer Stunde an die türkische Grenze zurückgebracht. Das türkische Militär hat uns dort immer mit Schlägen begrüsst.

Verglichen mit meinem damaligen Leben bin ich in der Schweiz sehr zufrieden. Es ist sicher und sauber und ich fühle mich hier sehr wohl.

Wie war es, in der Schweiz anzukommen?

Der Aufnahmeprozess ging glatt und ziemlich schnell. Zu dieser Zeit gab es viele Leute aus Kosovo und Irak, die auch Asyl gesucht haben, da in diesen Ländern Krieg geführt wurde.

Der Anfang war für mich ein bisschen schwierig, ich habe mit vielen Menschen, die von anderen Kulturen stammten, in einem Asylheim gelebt. Wir waren zu viert in einem Zimmer und haben auf zwei Bunkerbetten geschlafen. Wegen der Einrichtung haben wir immer gesagt, das Asylheim sei wie ein Gefängnis mit offenen Türen, da wir machen konnten, was wir wollten aber uns trotzdem eingeschränkt fühlten.

Hast du noch Kontakt mit den Leuten aus dem Asylzentrum?

Ja, ich habe noch Kontakt mit einigen. Mit manchen nicht, einige wurden zurückgeschickt, einige sind gestorben. Aber mit einem, mit dem ich damals das Zimmer geteilt habe, habe ich täglich Kontakt.

Wie lange hat es gedauert, bis du Deutsch gelernt hast?

Im Asylheim hat man nur Hochdeutsch gelernt, aber ich konnte durch meine Ex-Freundin Schweizerdeutsch lernen. Wir haben zusammengewohnt und sie hat mich vielen ihrer Schweizer Freundinnen und Freunde vorgestellt. Man lernt schnell, wenn man sich unter Personen befindet, die nur Deutsch sprechen.

Mein Alter hat auch eine grosse Rolle gespielt. Da ich so jung war, konnte ich viel schneller lernen als andere Migranten. Es gibt so viele Leute, die 30 Jahre hier leben und trotzdem immer noch kein Deutsch sprechen können. Ausserdem ist es eine grosse Motivation, eine Sprache zu lernen, wenn man merkt, dass man für immer in einem Land bleiben will, und das war bei mir der Fall.

Konntest du dich generell gut integrieren?

Für mich ist die Schweiz das einzige Land, das mich aufgenommen hat. Als ich ankam, habe ich von der Stadt Geld, die Krankenkasse und eine Wohnung bekommen, wofür ich dankbar war und bin. Ich wollte aber nicht als «Last» angesehen werden und habe deshalb so schnell wie möglich eine Arbeit gesucht. Es hat eine Weile gedauert, aber ich habe jetzt viele Freunde hier. Für mich ist die Schweiz mein Land.

Wie bist du auf die Idee gekommen mit deinem Geschäftspartner einen Imbiss zu öffnen?

Ich habe 14 Jahre lang in der Migros gearbeitet, habe dann aber beschlossen, einen anderen Weg zu gehen. Ich wollte nicht mehr für andere Personen arbeiten, sondern wollte unabhängig und selbstständig sein.

Mein Geschäftspartner und ich haben für eine Weile an der Langstrasse in einer libanesischen Küche gearbeitet. Wegen der Corona-Krise gab es immer weniger Arbeit und dann hat es uns nach Horgen verschlagen.

Wieso libanesische Küche und nicht irakische?

Die libanesische Küche ist fast identisch zu der irakischen. Ausserdem ist in der Schweiz Libanesisch bekannter als Irakisch. Es hat einige irakische Restaurants in Deutschland, aber die irakische Küche ist allgemein in Europa nicht so bekannt.

Müsst ihr bei der Essenszubereitung irgendwelche Anpassungen für die Einheimischen machen?

Wir passen die einzelnen Bestellungen an die Leute an, aber eine allgemeine Anpassung war nicht nötig. Wir wissen, dass unsere Kunden zufrieden sind, weil es Leute gibt, die zwei bis dreimal pro Woche hierherkommen und sogar einige, die fast jeden Tag hier essen.

Wie läuft euer Business im Moment?

Anfangs war es schwierig, aber jetzt, nach 1 . Jahren läuft es besser. Die Leute kennen uns und unser Produkt. Es kommen aber auch immer mehr neue Leute. Ein Business braucht um die 2 Jahre, um richtig loszulaufen, also sind wir sehr zufrieden.

Was sind eure Pläne für euer Geschäft?

Wir haben schon mehrere Partnerschaftsangebote erhalten, aber wir wollen uns zuerst hier einen Namen machen. Wenn wir das geschafft haben, können wir uns das überlegen. Aber wir sind trotzdem immer am Suchen, falls es einen neuen Platz hat.

Und noch eine letzte Frage: Wieso ist eure Knoblauchsauce so gut?

Es ist ein wenig kompliziert. Die Knoblauchsauce kann sehr schnell zu wässrig oder zu dick werden, niemand kann es genauso machen, wie wir es tun. Das Rezept bleibt aber unser Geheimnis.

Das Interview ist vorbei. Wir haben zur letzten Frage leider keine klare Antwort erhalten, es bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als wieder hinzugehen und es selbst herauszufinden. Roman verabschiedet sich herzlich und geht zurück in den Laden. Die nächsten Kunden nähern sich; ein Paar, das gerade aus dem Gym nebenan kommt. Sie bestellen und kommen dabei mit Roman ins Gespräch. Es gibt Gelächter, das Paar bezahlt und setzt sich in das Zelt vor dem Imbiss.

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